Nächstenliebe ... und dann scheint plötzlich Gott durch - ein Impuls zu St. Martin

11. Nov 2024

Nächstenliebe ... und dann scheint plötzlich Gott durch - ein Impuls zu St. Martin

Martin reitet nachts auf seinem Pferd durch den kargen, kalten Winter. Im Schnee entdeckt er plötzlich einen halbnackten, frierenden Mann. Der ehrenvolle Soldat steigt von seinem hohen Ross und versucht zu helfen: Er teilt seinen Mantel in zwei Teile. Nächstenliebe pur! Diese Legende vom heiligen Martin kennen die meisten von uns vermutlich seit Kindestagen. Und deshalb ist das Stichwort Teilen wohl das erste, was einem einfällt, wenn man von Sankt Martin hört oder spricht. Teilen gehört zum Martinstag wie die Zuckerkörner auf die Brezel.

Auch wenn die gröbste Not damit gelindert ist und dem armen Kerl erst einmal geholfen ist, ist das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit kommt in der nächsten Szene der Martinslegende zum Vorschein: In der folgenden Nacht erscheint ihm Christus im Traum, der den halben Mantel trägt, den der Soldat dem Armen gegeben hatte.

Die Martinsgeschichte ist also nicht nur eine Vorbildgeschichte, die in Sachen Nächstenliebe zum Nachahmen einlädt. Sie ist vor allem ein konkretes Beispiel dafür, wie man Gott erfahren kann.

Der biblische Background dazu findet sich im Matthäus-Evangelium: „Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mir Kleidung gegeben.“ Und: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan.“

Die christliche Botschaft lässt keinen Interpretations-Spielraum. Sie meint unmissverständlich: Wer aus Nächstenliebe heraus handelt, der tut nicht einfach nur ein gutes Werk. Der erfährt dadurch vielmehr, dass Gott durchscheint. 

Was für eine kühne Glaubensaussage.

Das Handeln aus Nächstenliebe ist wichtig und sinnvoll und hat seine Wirkung. Das Entscheidende aber ist etwas anderes: das Leben aus einer Grundhaltung, die mit Gott in dieser Welt rechnet. Dadurch, dass ein religiöser Mensch menschlich, barmherzig an anderen handelt, kann er erkennen, wie sehr er selbst auf Erbarmen angewiesen ist. Dann spürt er: Meine Existenz verdanke ich nicht mir. Sie hängt von anderen ab. Letztlich hängt sie von Gott ab. Mein Leben bekommt von Gottes Liebe her gesehen Sinn.

Darum ist Barmherzigkeit mehr als Gerechtigkeit. Sie ist die sichtbare Ausprägung der Liebe Gottes. – Das gehört zum Glauben auch wie Zuckerkörner auf die Martinsbrezel.

Adolph Kolping hat es übrigens so ausgedrückt:

„Es gibt keinen Menschen ohne Liebe, und es kann keinen geben, denn sie gehört, wie gesagt, zu seinem Wesen. Wie aber der Verstand die Wahrheit nicht aus sich hat, sondern erhält, ich meine die christliche, so hat auch das Herz nicht die rechte Liebe aus sich, sondern muss sie empfangen, und Gott hat sie dem Herzen ursprünglich wirklich gegeben.“

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