06. Jan 2025
"Treu Kolping" - das gilt für Martin Schneider: Der 92-Jährige konnte jetzt ein seltenes Jubiläum feiern: Er trat 1949 der Kolpingfamilie Serkenrode bei und bekam nun Urkunde, Ehrennadel und Blumenstrauß zur 75-jährigen Mitgliedschaft überreicht. Als die Kolpingfamilie seines Heimatortes 1954 aufgelöst wurde, blieb er den Überzeugungen Adolph Kolpings 45 Jahre als Mitglied im Bundesverband treu. Dann fand der Mann aus dem Kreis Olpe in Eslohe im Hochsauerland eine neue „Familie“. Doch auch der droht 2025 die Auflösung.
Martin Schneider trat als junger Schneidergeselle in die Kolpingfamilie Serkenrode ein. Die damals noch reine Männergilde besteht vornehmlich aus Jungbauern, Sattlergehilfen, Gärtnern und Schlossergesellen. 1952 erkannte der Jubilar weitere Vorteile, denn die Kolpingfamilien in Solingen, Langenfeld, Frankfurt, Heidelberg und Karlsruhe gaben den Reisenden in Sachen Schneiderhandwerk Schutz und Geborgenheit. "Ich konnte mit vielen weiteren Handwerkern während der Gesellenjahre und der Zeit auf der Meisterschule in Kolpinghäusern wohnen. Ohne diese Anlaufstellen wäre das für mich nicht möglich gewesen."
Doch dann ereilte den Kolpingbruder aus dem damaligen Amt Serkenrode eine Hiobsbotschaft: Aufgrund von Austritten und Wohnortwechseln wurde "seine" Kolpingfamilie aufgelöst. Martin Schneider wollte sich damit nicht abfinden und blieb auf Antrag beim Kolpingwerk in Köln dem Sozialwerk als Einzelmitglied treu. Aus dem Schneidermeister wurde später ein Mitarbeiter der Eisenbahn: "Das Schneiderhandwerk im Frettertal war hart. Viel Arbeit, wenig Geld – ich musste mich entscheiden."
Adolph Kolping hat er nie aus den Augen verloren. Nach seiner Heirat 1958 und der Geburt seiner Kinder führten seine ersten Urlaubsausflüge in Kolpinghäuser. Unvergessen bleibt dabei die Vater-Sohn-Reise 1975 nach Wien unter den schwarz-orangenen Farben von KOLPING INTERNATIONAL, die für Lebensernst und Lebensfreude stehen. 1999 kam ein Brief aus Köln, der seine Einzelmitgliedschaft beenden sollte. "Ich sollte mich einer nahe gelegenen Kolpingfamilie in meiner Heimat anschließen." Überlegt, gesucht und gefunden: Martin Schneider wechselte vom Kreis Olpe in den Hochsauerlandkreis und fand in Eslohe Aufnahme in eine florierende Kolpingsfamilie.
Dort sind Franz Josef Huss (81) und Günter Schmidt (74) als "stille Motoren" aktiv – denn einen offiziellen Vorstand gibt es nicht mehr. Das Duo überreichte Martin Schneider nun im Namen des Diözesanvorsitzenden Winfried Henke die Urkunde zur treuen Mitgliedschaft. "Die Frauengemeinschaft und die Kolpingfamilie sind die tragenden Säulen der Gemeinde", stellt Franz Josef Huss fest.
121 Mitglieder aus Eslohe und Umgebung machen den Zusammenschluss, der schon lange keine reine „Männergilde“ mehr ist, zu einem lebendigen Werk. Ob Frühstück für alleinstehende Menschen, Organisation der Martinzüge oder Gestaltung von Messfeiern: Die Menschen aus Eslohe setzen die sozialen Eckpfeiler aus den Gründertagen in vielfältiger, moderner und individueller Art und Weise weiter fort. Große, kreisüberschreitende Beachtung findet auch der Plattdeutsche Arbeitskreis der Kolpingsfamilie, der regelmäßig Beiträge für den lokalen Sender „Radio Sauerland“ produziert. Günter Schmidt hält bei "Dönekes und Vertellekes" das Ruder fest in der Hand.
Unter dem Motto "Zusammen sind wir Kolping" wurde aus dem einstigen rein katholischen Sozialwerk ein Verband, dem auch Menschen anderer Konfessionen und Religionen beitreten. Verantwortlich leben – solidarisch handeln: Nur, wie lange funktioniert das in Eslohe noch? Kann das 100-jährige Bestehen 2028 überhaupt noch gefeiert werden? Da sich kein Mitglied mehr zur Übernahme eines Vorstandsposten bereit erklärt hat, wurden die geschäftsführenden Aufgaben vor einem Jahr vom Diözesanverband Paderborn übernommen. "Man hat uns für zwei Jahre lang Unterstützung zugesagt." Aus den Worten von Franz-Josef Huss ist zu hören, dass – wenn sich 2025 keine Ehrenamtlichen für die Vorstandsarbeit in Eslohe finden – die Kolpingsfamilie aufgelöst werden muss. Das wäre sicher ein großer Verlust für das dörfliche Zusammensein, denn die sozialen Belange aus den Ursprungsgedanken Adolph Kolping haben nichts an Aktualität verloren.
(Text: Friedhelm Tomba)